Claudius Kroker

Journalist · Text & Medien

Seit mehreren Jahren schreibe ich Beiträge über PR, Journalismus und Redenschreiben für Zeitungen und Fachmedien der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Außerdem habe ich eine eigene Kolumne für das Fachmagazin "KOM - Magazin für Kommunikation", vormals "pressesprecher". Den jeweils aktuellen Fachartikel und Kolumne-Beitrag finden Sie hier.

Say it well – Reden lernen mit Barack Obama

Was ist eine gute Rede? Und wie halte ich eine gute Rede? Auf beide Fragen gibt es keine allgemeingültige Antwort, sondern so viele Antworten, wie es Menschen gibt. Denn die gute Rede ist vor allem eine persönliche Rede – eine, „die nur Sie halten können“ mit „Geschichten, die nur Sie erzählen können, ganz besonders Ihre eigenen.“

So schreibt es Terry Szuplat in seinem Buch „Say it well“, das im Sommer bei Piper erschienen ist. Szuplat ist nicht irgendwer, sondern einer der damaligen Redenschreiber des US-amerikanischen Präsidenten Barack Obama. Der Verlag ist sich der Zugkraft dieser Information natürlich bewusst und setzt sie als Autorenangabe mit auf das Buch-Cover.

Das macht das Werk auf den ersten Blick hochinteressant, und tatsächlich geizt der Autor, Redenschreiber, Trainer und Hochschul-Professor nicht mit konkreten Tipps, Erklärungen, Anwendungsbeispielen, Checklisten und jeder Menge Anekdoten aus seiner Zeit als Obama-Ghostwriter im Weißen Haus („Nach einigen Minuten Redezeit blätterte er eine Seite seines Redemanuskripts um und sah… Nichts. Jemand hatte vergessen, den Rest seiner Rede in den Ringordner zu heften“).

Auf über 400 Seiten fächert Szuplat die Kunst auf, eine Rede zu schreiben und eine Rede zu halten. Er widmet sich dabei dem Handwerklichen – wie gehe ich vor, mit welchen Techniken umschiffe ich Schreibblockaden, wie finde ich das richtige Thema und den richtigen Ton etc. – aber auch dem eigenen Spiel mit Worten und Redewendungen. Da kommt das dicke Werk mitunter an seine Grenzen, denn natürlich ist die Piper-Ausgabe kein Original, sondern eine Übersetzung aus dem Englischen. Einerseits wurden viele Begriffe und Angaben in unseren Sprach- und Kulturraum übertragen – zum Beispiel ist von deutschen Regionen die Rede, die in der US-amerikanischen Administration vermutlich niemand kennt – andererseits leidet das Buch ein wenig, wenn dadurch Erklärungen und Beispiele sehr weit weg von Obama scheinen und Wortspiele mitunter in kompliziert konstruierte Formulierungen münden oder in Sätze mit sehr vielen Kommas – wie ich sie in meiner Kolumne selber gerne verwende, ich weiß… Aber in einem Buch über die gute Rede – Szuplat macht immer wieder deutlich, wie wichtig kurze Sätze sind („Yes, we can“) – verpufft an solchen Stellen ein wenig die Wirkung.

Ein Füllhorn für Redner und Redenschreiber

Im Großen und Ganzen ist das Buch aber ein Füllhorn all dessen, was Redner und Redenschreiber hierzulande schon an Anleitung und Hilfestellung geliefert haben oder in Seminaren lehren und lernen. Und das zumeist in einfacher Sprache – so einfach eben, wie sie für eine Rede gut passt.

Zur Frage, ob meine Rede wirklich eine gute Rede ist, hier eine der möglichen Antworten vom Fachmann: „Stellen Sie sich vor, jemand anderes hält sie. Wenn diese andere Person aufstehen und ihr Manuskript ablesen kann und der Text weiterhin sinnvoll ist, dann sind ihre Anmerkungen allgemein, nicht persönlich.“

Die Kunst der Rede ist also vor allem die Kunst, persönlich zu sein. Das steht ganz oft in dem Buch – sehr oft sogar – vielleicht ein bisschen zu oft. Aber es ist dem Autor ein Herzensanliegen, genau diesen Punkt als Aufgabe einer Rede hervorzuheben – auch mit Blick auf den Erfolg von Barack Obama als Redner, denn der habe immer großen Wert daraufgelegt, dass seine Reden und Statements persönlich sind. Und dass sie Sprache und Wissensstand des Auditoriums aufgreifen. Das Buch nennt das unter anderem die Grillfest-Regel: „Wenn sie das so nicht bei einem Grillfest mit Familie und Freunden sagen würden, dann sagen Sie es auch nicht bei einer Rede.“

Letztlich geht es immer wieder darum, eine Verbindung zwischen Redner und Publikum aufzubauen (auch das wird sehr oft erwähnt), Menschen überzeugen und für eigene Themen einzustehen. Damit ist „Say it well“ auch kein rein technisches Arbeitshandbuch, sondern mitunter ein sehr politisches Buch, das für eine gute Kommunikation statt Polarisierung plädiert („Die Kunst der öffentlichen Rede ist eine Fähigkeit, die wir alle beherrschen müssen, heute dringender denn je“). Diese Kunst ist auch eine Frage von Struktur, und so ist auch das Buch selbst klar strukturiert, mit einem Download – einer Art gut gemachten Zusammenfassung – am Ende eines jeden Kapitels.

Die gute Rede: Zeit für Vorbereitung und Performance

Handwerklich gehe ich mit allem mit, was Szuplat schreibt. Angefangen bei seinem Appell genügend Zeit – ich sage mindestens 50 Prozent der Gesamtzeit – für die Recherche einzuplanen. Eine Herangehensweise, die auch Journalisten kennen (sollten). Dann folgt – wie ich das hier auch schon einmal dargestellt hatte – der erste Entwurf, das Überarbeiten und das fertige Skript zum Üben. Ja, ein Skript. Unbedingt. Auch dann, wenn der Redner oder die Rednerin die freie Rede beherrscht und den Text nicht abliest. Dennoch soll vorher geschrieben werden, denn „wie wollen Sie die Rede später üben, wenn sie sie nicht vor sich haben?“ Wie das Skript gestaltet sein sollte, auch dazu gibt es klare Hinweise (Zeichengröße, Ränder, Seitennummern etc.) – auch zur Entwicklung einer Rede mit Hilfe von Chatbots und KI („Die Zuhörerschaft möchte von einem Menschen hören, nicht von einer Maschine“).

Natürlich und persönlich und nicht Maschine zu sein, gilt natürlich auch für die Performance, für die Inszenierung der Rede. Sie ist nicht das i-Tüpfelchen, sondern das Fundament, und das will – auch ein Ratschlag von Obamas Redenschreiber – gut und sicher geplant sein. Ich habe selbst schon erlebt, wie ein gut vorbereitetes Statement im Desaster endet, wenn visueller Rahmen, Präsentation oder Rhetorik bei der Vorbereitung zu kurz gekommen sind. Da war’s dann auch egal, was gesprochen wurde. Szuplat sieht das genauso: „Die Worte auf dem Papier sind kostbar, aber erst die Performance bringt die Botschaft rüber.“

Wie gesagt: das Buch ist ein Füllhorn. Für professionelle Redenschreiber ist vielleicht weniger Neues dabei (ein bisschen geht es auch um Ethos, Pathos und Logos). Aber es ist ja kein Buch für Mega-Profis und Dienstleister, sondern ein Lesebuch, das vermitteln möchte, wie Menschen Ängste überwinden und lernen, souverän und erfolgreich eine Rede zu halten. Und wie sie einen wichtigen Beitrag leisten für eine verbale Abrüstung. „Jede und jeder von uns kann einen Teil dazu beitragen, dass die leicht entzündliche Rhetorik, die die Brücken zwischen uns in Brand stecken kann, abgekühlt wird.“ Ich kenne eine Menge Leute, die dieses Buch dringend lesen sollten.