Wie immer ganz unerwartet: Dezemberfieber und Jahresendrallye
Der Dezember ist für PR-Berater, Kommunikationstrainer und Redenschreiber wie mich regelmäßig ein Großkampf-Monat und eine Jahresend-Rallye nach der Methode Bleifuß. Mancher braucht noch „eben schnell“ eine Rede für die Weihnachtsfeier. Manche Behörde entdeckt, dass da einiges an Bildungsbudget vorhanden ist, das dringend „noch in diesem Jahr“ aufgebraucht werden muss. Auszeichnungen für verdiente Mitarbeiter oder ehemalige Teamleiter fallen ganz plötzlich an und sind unbedingt noch in der Adventszeit nach innen und außen zu kommunizieren. Sogar die Anfrage für ein Buch habe ich Anfang Dezember erhalten.
Ich bin jetzt seit bald 24 Jahren selbständig, und an diesem Dezemberfieber-Ritual hat sich so gut wie nichts geändert. Höchstens vielleicht, dass es noch ein bisschen stressiger geworden ist, die Wochen noch ein bisschen voller sind und viele Anfragen noch kurzfristiger kommen. Ja, das ist auch ein Luxus-Problem und Jammern auf hohem Niveau. Das gebe ich zu.
Resilient durch die Vorweihnachtszeit
Doch ob der Dezember nun so oder anders aussieht, er bleibt voller Überraschungen und Unwägbarkeiten. Wie gehe ich damit um? Es gibt zig Schulungen und Workshops zum Thema "Mit Resilienz durch die Vorweihnachtszeit", die Hilfe bieten können. Letztlich geht es in den meisten Fällen um einen besseren, weil gesünderen Umgang mit Stress oder noch besser: um Stress-Abbau und Stress-Vermeidung. Und das schafft man durch… Trommelwirbel… klar: Vorbereitung.
Wie… Vorbereitung? Werden Sie jetzt fragen. Ist das alles? – Nein, alles nicht, aber ganz viel. Und darum steht das auch hier in einer Kommunikations-Kolumne. Denn auch in der Kommunikation – die x-te Weihnachtsrede, das Mailing Anfang Dezember, die Weihnachtspost vorm Fest etc. – auch hier ist Vorbereitung nicht alles, aber ohne Vorbereitung ist alles viel schwieriger.
Da hilft ein Blick in die Zeitschriften-Redaktionen, die sich schon im Sommer zumindest textlich durch die raffiniertesten Rezepte für die besten Weihnachtsplätzchen des Jahres probieren. Oder der Blick zu den Kolleginnen und Kollegen der Wochenzeitungen, die am Donnerstag darüber debattieren, was sieben Tage später in der Zeitung steht. Bei den vielen Monatstiteln in Branchen wie Technik, IT oder Wirtschaft ist es nicht anders. Dem scheinbaren Wunder, dass etwas genau zur richtigen Zeit auf den Punkt in den Medien erscheint, geht meist eine termingenaue Planung voraus.
Redaktionelle Planung als Teil der Pressesprecher-Ausbildung
In unseren Seminaren für kleine (oder auch größere) Pressestellen oder im Zertifikatskurs für angehende Pressesprecher*innen bekommen daher Themen wie redaktionelle Planung und Zeitmanagement immer einen eigenen Slot. Wobei das Wort "Zeitmanagement" von Profis gerne belächelt wird. "Was gibt es da zu managen?", fragen sie. 24 Stunden am Tag hat jeder von uns. Niemand hat mehr Zeit als jemand anderes. Die Frage ist, wie wir in diesem feststehenden 24/7-Rahmen die verschiedenen Aufgaben, Projekte und Kommunikations-Anforderungen wie das Weihnachts-Mailing an Mitarbeiter, Kunden oder Geschäftspartner unterbringen.
Da fällt mir dann wieder das Zitat von Daniel Erk ein, der vor vielen Jahren in der Wochenzeitung DIE ZEIT über seine Arbeit als Journalist berichtete: "Viele Menschen glauben, ein guter Journalist müsse ein begnadeter Stilist sein. Aber das stimmt nicht. Ein guter Journalist muss die richtigen Fragen stellen." Das ist Recherche, und die nimmt bekanntlich den größten Teil im redaktionellen Geschehen ein. In Pressestellen darf das nicht anders sein. Von der Themensuche (welche Themen liegen an? Was passiert aktuell? Was ist zu erwarten? Wozu wollen oder müssen wir Stellung beziehen?) über Strategien und Maßnahmen-Kreation (Pressemitteilung? Gastbeitrag? Interview? Kontakte zu Medien aufbauen und pflegen) bis zur zeitlichen Planung gehört regelmäßig alles auf den Tisch. Zum Beispiel einmal in der Woche in einer Redaktionskonferenz oder bei ganz kleinen Ein-Personen-Pressestellen ein "Termin mit mir selbst". Das Ziel ist immer gleich. Es geht darum von der Dezemberwelle nicht fortgeschwemmt zu werden, sondern frühzeitig zu sehen, was da auf einen zukommt.
Planung als Erfolgsfaktor auch in der Krise
Erfolgreiche Krisenkommunikation funktioniert übrigens im Grundansatz genauso. Null Vorbereitung bringt meist die Flut der Negativ-Schlagzeilen mit sich. Gute Vorbereitung hingegen hilft einen kühlen (bzw. im Bild der Welle eher einen trockenen) Kopf zu bewahren und sich das Dirigat der Kommunikation nicht von sozialen und weniger sozialen Medien aus der Hand nehmen zu lassen.
Klar: das Beste für Krisenkommunikation ist einfach keine Krise zu haben. Leichen im Keller sind also zu vermeiden. Doch manchmal liegt die Verantwortung für die Leiche auch bei einem anderen Player, und die Welle schwappt "nur" über in das eigene Territorium. Auch dafür muss ich – wenn schon keinen fertigen Plan – zumindest Ideen haben. Das altehrwürdige Grimme-Institut und der von ihm unabhängige Förderverein geben dafür bei der Vergabe und Rücknahme des Ehrenpreises an Judith Scheytt ein schönes Beispiel ab.
An dieser Stelle wäre noch ein Abstecher zur Deutschen Bahn lohnenswert. Denn die kommt manchmal ganz ohne Planung und Vorbereitung aus. Neulich auf der Fahrt von Bonn nach Berlin ergab sich eine "unerwartete Baustelle", von der Lokführer und Zugbegleiter "gerade erst erfahren" haben. Wobei das Wort "erfahren" in dem Zusammenhang ja ein nettes Teekässelchen ist. So "erfuhren" wir uns also in den folgenden zweieinhalb Stunden eine unerwartete Umleitung wegen einer Baustelle, die offenbar ganz unerwartet des Weges daherkam. Ach, darüber könnte man auch viel schreiben…
So ist das mit dem Dezemberfieber: Es gibt nicht nur viele kurzfristige Anfragen, es gibt auch jede Menge Themen, die noch bearbeitet werden wollen. Damit das klappt, muss auch ich an meiner Planung und Vorbereitung arbeiten. Das wäre schon mal ein erster guter Vorsatz fürs neue Jahr. Damit kann man nicht früh genug anfangen.
Apropos neues Jahr: Ganz Dezemberfieber-mäßig erreicht mich zwei Tage vor Veröffentlichung dieser Kolumne die Nachricht, dass das die letzte sein wird. Okay… Neun Jahre sind eine lange Zeit. Ich hatte immer große Freude daran – und ich hoffe Sie als Leserinnen und Leser auch. Ich wünsche Ihnen jedenfalls alles Gute für Ihre Kommunikation, für die unerwartete und für die geplante.